Einiges zur Forschungs- und Bildungsstelle Text-Diskurs-Kommunikation

Der Gedanke, eine Initiative zu entwickeln, die mit der Textlinguistik institutionell zusammenhängt, begleitete uns seit einiger Zeit. Es tauchten immer wieder Teilinitiativen auf, die sich nicht nur auf die Tätigkeit von Einzelpersonen beschränkten, sondern mit einem gemeinsamen Vorhaben verbunden waren.

Bereits nach der an unserem Institut 2004 organisierten Konferenz Moderne deutsche Texte, regte Prof. Wolfgang Heinemann an, in Rzeszów ein Textlinguistik-Zentrum zu gründen. Diese Idee erschien uns am Anfang zu anspruchsvoll, sie brauchte Zeit und musste auf einem evolutiven Weg entwickelt werden.

Aus der Erfahrung, dass die einzelnen Philologien beinahe ein Einzeldasein führen, und aus Gesprächen mit unserem Kollegen aus Warschau entstand die Idee, einen kleinen Beitrag zum Wissenstransfer im Bereich der germanistischen Textlinguistik für polnische Linguisten zu leisten, die die textlinguistische Forschung wegen der Sprachbarriere nicht rezipieren können. So ist 2009 der Band Lingwistyka tekstu w Niemczech. Pojęcia, problemy, perspektywy (Hrsg. von Bilut-Homplewicz, Zofia/Czachur, Waldemar/Smykała Marta) mit 17 ins Polnische übersetzten Beiträgen von führenden deutschen und deutschsprachigen Textlinguisten entstanden, an dem sich KollegInnen aus einigen polnischen Universitäten als Übersetzer beteiligten. Die gemeinsame Arbeit an diesem Band kann als Anfang unserer weiteren Vorhaben bezeichnet werden. Nicht nur Diskussionen, sondern auch der Versuch, Kontakte mit Vertretern der Polonistik anzuknüpfen, die sich mit der Textologie beschäftigen, erwiesen sich als besonders wichtig. Wir wollen hier Prof. Teresa Dobrzyńska herzlich danken, die unser Vorhaben wohlwollend aufnahm und mit Prof. Wolfgang Heinemann und Prof. Zdzisław Wawrzyniak zusammen die Schirmherrschaft übernahm. Gedankt sei auch den beiden hier genannten Schirmherren. Mit Dr. Grzegorz Grochowski, der uns für viele terminologische Fragen sensibilisierte, konnten wir über wichtige Übersetzungsprobleme mit Begeisterung diskutieren (Die übersetzten Texte lieferten viele aufschlussreiche Beispiele, die im folgenden Artikel genutzt wurden: Bilut-Homplewicz, Zofia (2010): Produktion, produzieren und Küchenzettel. Nicht nur zu Fachtermini in der Übersetzung von textlinguistischen Aufsätzen. In: Bąk, Paweł/Sieradzka Małgorzata/ Wawrzyniak, Zdzisław (Hrsg.): Texte und Translation. Frankfurt a. M.: Peter Lang, S. 187-200).

 

Wertvolle Ratschläge im Hinblick auf die Konsistenz der Beiträge bekamen wir auch von Margot und Wolfgang Heinemann sowie von Gerd Antos, unserem Koordinationspartner von der Universität Halle. Der Übersetzungsband wurde zum Ausgangspunkt für die Veröffentlichung eines Sammelbands mit Aufsätzen von polnischen Textlinguisten (Polonisten und Germanisten) auf Polnisch, der als eine Art kreative Antwort auf die vorangehende Publikation zu verstehen ist. Im Folgenden sei hier aus dem 2010 veröffentlichten Beitrag zitiert, der der Darstellung des erwähnten Projekts gewidmet ist: „Das Publikationsprojekt, initiiert und realisiert durch die Autoren dieses Beitrages, bestand aus zwei Phasen. Im ersten Schritt wurden ausgewählte deutschsprachige Beiträge zu verschiedenen Aspekten der Textlinguistik ins Polnische übersetzt und in einem Buch Lingwistyka tekstu w Niemczech. Pojęcia, problemy, perspektywy (2009) veröffentlicht. Polnischsprachigen Textlinguisten sollten die aktuellen Fragen (methodologischer sowie theoretischer Art), Themenbereiche und Forschungsperspektiven der deutschsprachigen Textlinguistik vorgestellt werden, um damit letztlich einen internationalen, fächerübergreifenden Austausch in Polen zu inspirieren. Im zweiten Schritt des Projekts wurden Vertreter der polnischen Germanistik und Polonistik eingeladen, sich aus ihrer methodologischen und theoretischen Perspektive zu den Grundsatzfragen der Textlinguistik zu äußern. Auf der einen Seite zu Text und Textsorte, auf der anderen Seite zu Intertextualität, Intermedialität, Interkulturalität, Kontrastivität sowie zur Relation von Text und Diskurs. Dabei sollte der Versuch unternommen werden, einige Forschungsergebnisse, -tendenzen und -perspektiven zu bilanzieren und/oder synthetisierend/bilanzierend zu kontrastieren. Diese Arbeiten sind im zweiten Band, konzipiert auch als eine kritische Bestandsaufnahme der textlinguistischen Forschung beider Länder sowie als Plattform für einen internationalen Austausch und interlinguistischen Vergleich, unter dem Titel: Lingwistyka tekstu w Polsce i w Niemczech. Pojęcia, problemy, perspektywy zu finden.” (Der Beitrag, dem ein in der Jahrestagung des Polnischen Germanistenverbandes 2009 an der Universität Olsztyn gehaltene Vortrag zugrunde liegt, wurde in (2009): Bilut-Homplewicz, Zofia/Czachur, Waldemar/Smykała, Marta: Warum ist es nützlich, die Textlinguistik in Polen und in Deutschland zu vergleichen? Der interlinguistische Vergleich. In: Grucza, Franciszek und Pawłowski, Grzegorz/ Utri, Reinhold (Hrsg.): Diskurse als Mittel und Gegenstände der Germanistik. Warszawa, S. 127-137 veröffentlicht.).

Der Publikation der beiden Bände folgten einige Einladungen zu Konferenzen und Diskussionsrunden an polonistischen Instituten der Universität Katowice, Kamień Śląski und Opole, neue Kontakte und Gedankenaustausch. Wir betrachten sie als erste Schritte auf dem Weg zur Annäherung und zum Dialog zwischen den Philologien, den wir fortsetzen wollen. Die Einladung von Prof. Stanisław Gajda, sich 2010 an einer Jubiläumskonferenz in Kamień Śląski zu beteiligen, die einer Bilanz im Hinblick auf die slawistische Stilforschung gewidmet war, sowie die Teilnahme an zwei sog. Rundtischgesprächen zum Text (Gatunki mowy i ich ewolucjaRedegattungen und ihre Evolution, veranstaltet von Prof. Danuta Ostaszewska, Katowice 2009) und zum Diskurs (Opole 2011, veranstaltet von Prof. Stanisław Gajda und Dr. habil. Dorota Brzozowska), wo germanistische Stadtpunkte präsentiert werden konnten, machten uns deutlich, dass es sinnvoll ist, eine Brücke zwischen Germanistik und Polonistik zu schlagen.

Auch der Gedankenaustausch mit Prof. Maria Wojtak, die die beiden erwähnten textlinguistischen Bände begutachtete (der zweite Gutachter war Prof. Eugeniusz Tomiczek) und auf deren Zusammenarbeit wir weiterhin hoffen, war für unsere ersten ‘Brückenschläge’ zwischen Germanistik und Polonistik sehr anregend.

In einem regen Gedankenaustausch bestärkte uns Prof. Heinz-Helmut Lüger darin, weitere Initiativen zu entwickeln und den Wissenstransfer auch in die andere Richtung zu versuchen, d.h. deutsche Linguisten mit der polonistischen text- und diskurslinguistischen Forschung bekannt zu machen.

 

Eine wichtige Etappe bei der Gründung der Forschungs- und Bildungsstelle Text-Diskurs-Kommunikation war die Veranstaltung der Konferenz Text und Stil, für die die Anregung wieder von Prof. Wolfgang Heinemann kam. Vor allem ist es uns gelungen, einige ausgewiesene Plenarreferenten aus Deutschland zu gewinnen. Dass die in ihr gehaltenen Vorträge und die ihnen folgenden Diskussionen einen kleinen Beitrag zur Erforschung der Relation zwischen den beiden Phänomenen Text und Stil im Allgemeinen und zur Bestimmung dieses Verhältnisses im Hinblick auf empirische Einzeluntersuchungen im Besonderen leisten, macht der gleichnamige Band Text und Stil deutlich, der in einer neu gegründeten Reihe Studien zur Text- und Diskursforschung (Herausgeber: Z. Berdychowska von der Jagiellonen Universität Krakau und Z. Bilut-Homplewicz Universität Rzeszów) im Peter Lang Verlag 2010 veröffentlich wurde.

 

Das Gründungsteam der Forschungs- und Bildungsstelle Text-Diskurs-Kommunikation organisiert bereits seit einigen Jahren Gastvorträge für Studierende und MitarbeiterInnen unseres Instituts, die solche führenden Repräsentanten der deutschen (Text)Linguistik wie Wolfgang Heinemann, Gerd Antos, Bernd Spillner, Heinz-Helmut-Lüger und Karl-Dieter Bünting hielten. Manche von diesen Linguisten waren an unserer Universität mehrmals zu Gast. Den Vorträgen schlossen sich Diskussionen über laufende und geplante Vorhaben der Abteilung für Theorie der sprachlichen Kommunikation und anderer an den Diskussionsrunden beteiligter MitarbeiterInnen des Instituts für Germanistik an.

Unlängst wurde dem Gründerteam der Vorschlag gemacht, sich an der Mitherausgabe der Fachzeitschrift „tekst i dyskurs – text und diskurs” in Kooperation mit dem Institut für Germanistische Philologie der Universität Warschau zu beteiligen, wo seit vier Jahren ihre Hefte erscheinen. Auf der Internetseite von „tekst und dyskurs; text und diskurs“ lesen wir: „Ziel der Fachzeitschrift ist es, eine interdisziplinäre und fachübergreifende Plattform für den Gedankenaustausch, für modellhafte Lösungen im Bereich der Text- und Diskurslinguistik zu schaffen. Dieses Forum soll allen philologischen Fachrichtungen zugänglich sein.“ (vgl. www.tekst-dyskurs.pl). Die Zielsetzung der Zeitschrift passt genau zu dem Tätigkeitsprofil der Forschungs- und Bildungsstelle Text-Diskurs-Kommunikation. Das nächste Heft wird Fragen der Kontrastivität gewidmet. Die Zeitschrift ist auch online abrufbar (vgl. www.tekst-dyskurs.pl).

Außer editorialer Tätigkeit (Fachzeitschrift tekst i dyskurs; text und diskurs, Reihe Studien zur Text- und Diskurslinguistik), die u.a. den Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Philologien zum Ziel hat, strebt die Forschungs- und Bildungsstelle Text-Diskurs-Kommunikation auch einen vertikalen Wissenstransfer „zwischen Generationen“ an. Da die an der Universität Rzeszów gehaltenen Gastvorträge namhafter Linguisten trotz interessanter Fragestellungen und beinahe massenhafter Erscheinungsform (sie erfreuen sich einer großen Beliebtheit unter Studierenden und Mitarbeitern des Instituts) immer „nur“ lokale und kurzlebige Ereignisse sind, wurde eine Internetseite angelegt, die als dauerhaftes Forum zum Erfahrungsaustausch, Fragenstellen, Ratsuchen und -geben gedacht ist und als eine Art Ideenvorrat dienen soll. Die Teilnehmer der Konferenz in Słubice (September 2011) – führende Vertreter der textlinguistischen Forschung in Europa -  haben sich bereit erklärt, die Fragenden mit ihrem Wissen und ihrem Rat zu unterstützen. Das Forum scheint eine geeignete Form zu sein, ein dauerhaftes Kontaktnetz aufzubauen und bei „akuten“/ dringenden inhaltlichen Fragen v.a. seitens junger Nachwuchswissenschaftler Hilfe zu leisten.

Die gerade erwähnte Konferenz in Słubice im September 2011 unter dem Motto Textlinguistik eine Querschnittsdisziplin war eine weitere Maßnahme innerhalb des vertikalen Wissenstransfers, die von drei Universitäten gemeinsam vorbereitet wurde (UAM, UJ, UR). Ihr Modus wich von dem der anderen Konferenzen ab. An insgesamt drei Tagen haben sich erfahrene Linguisten mit Nachwuchswissenschaftlern ausgetauscht. Neben klassischen Vorträgen gab es genug Zeit, um in individuellen Gesprächen „unter vier Augen“ nach Sachverhalten zu fragen, die junge und weniger erfahrene Wissenschaftler nachts nicht einschlafen lassen: Ideen für eine Doktorarbeit, Habilitation, Projekte, methodologische Fragen, Mangel an Literatur, die Zumutbarkeit des eigenen Forschungsvorhabens u.v.m. Weil sich ein solcher Modus in Slubice bewährt hat, wird die Konferenz fortgesetzt werden. Ein nächstes Treffen dieser Art findet in Rzeszów 2013 statt. Die Zielgruppe sind, wie bereits erwähnt, Nachwuchswissenschaftler, die im Bereich Text- und Diskurslinguistik, sowie Kommunikationswissenschaft forschen. Außer Plenarvorträgen namhafter Textwissenschaftler wird es ebenfalls möglich sein, das eigene Forschungsprojekt in der Hoffnung auf eine konstruktive Kritik entweder im Plenum oder in individuellen Gesprächen darzustellen.

 

Darüber hinaus beteiligt sich das T-D-K-Team an einigen internationalen Projekten (wie z.B. Untersuchung von Persuasionsstilen in Europa (Projektleitung: Universitaet Helsinki) und Der Normalisierungsdiskurs in den polnisch-deutschen/deutsch-polnischen Beziehungen zwischen 1965 und 2010. Eine kontrastive diskurslinguistische Studie. Greifswald/Szczecin), entwickelt eigene Projektinitiativen (demnächst werden in ihrem Rahmen ausgewählte Aufsätze polnischer Textologen in deutscher Übersetzung veröffentlicht) und bemüht andere und sich selbst in Sachen Text- und Diskurslinguistik auf dem Laufenden zu halten.

Daraus ergibt sich unser Aufruf an alle Interessierten um Mitarbeit.

Wenn Sie Konferenzen im Bereich der Text- und Diskurslinguistik veranstalten, schicken Sie uns bitte eine entsprechende Information zu. Wenn Sie publiziert haben und das Thema der Publikation text- bzw. diskurslinguistisch angelegt ist, informieren Sie andere mit Hilfe unserer Internetseite darüber. Wir bieten auch die Möglichkeit an, im Rahmen der Reihe Studien zur Text- und Diskurslinguistik bzw. in der Fachzeitschrift tekst i dyskurs; text und diskurs zu publizieren. Nachwuchswissenschaftler sind zur Teilnahme an den auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Konferenzen eingeladen.

Informieren Sie uns über Ihre Projekte. Lassen Sie sich zum Austausch und zur Mitgestaltung der neuen textlinguistischen Plattform anregen.

In diesem interaktionistischen/ interaktionaeren/dialogischen/kooperativen Sinne empfehlen wir Ihnen die Lektüre Diskussionsbeiträgen. Dort veröffentlichen wir Gespräche, in deren Rahmen mindestens zwei Wissenschaftler ihre Positionen zu ganz wichtigen text- und diskurslinguistischen Fragestellungen bezogen haben. Die Gesprächspartner vertreten jeweils ein anderes Land und daher eine etwas andere Perspektive. Ganz aktuell: Prof. Maria Wojtak und Heinz-Helmut Lüger über Probleme der Presseforschung in Polen und in Deutschland.

Und last but not least: wir laden Sie zur Lektüre eines äußerst interessanten Beitrags von unserem geistigen Stifter Wolfgang Heinemann, in dem der Gründervater verschiedene Ansätze der Diskurslinguistik polemisch behandelt (Diskursanalyse in der Kontroverse (tekst i dyskurstext und diskurs 4/2011). Auf diesem Wege bedanken wir uns bei ihm für seine dauerhafte Unterstützung all unserer Ideen. Wir freuen uns schon auf die weitere Zusammenarbeit.

                                                                                  

                                               Ihr T-D-K-Team